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Evaluation langfristiger Effekte des Bausteins „Initiierte Abstinenz“ aus dem suchtpräventiven Unterrichtsprogramm „Gläserne Schule“

Projektteam des ISD: Prof. Dr. Peter Raschke, Dr. Jens Kalke, Sven Buth

Laufzeit: Januar 2003 bis Dezember 2006

In diesem Forschungsprojekt, das von der Bundeszentrale für gesundheitliche
Aufklärung (BZgA) gefördert wird, geht es um die Evaluierung der langfristigen
Effekte der Verzichtsübung „Initiierte Abstinenz“. Bei dieser suchtpräventiven
Maßnahme verzichten die Schüler/innen zwei Wochen lang auf eine Substanz
(Süßigkeiten, Zigaretten etc.) oder ein Medium (Fernsehen, PC-Spiele) bzw.
schränken ihren Gebrauch ein.

Aus den beiden vom ISD durchgeführten EU-Studien
sind die kurz- und mittelfristigen Effekte der Intervention bekannt. In dieser
Studie sollen die langfristigen Effekte, die Nachhaltigkeit und das richtige
„Einstiegsalter“ für die Verzichtsübung untersucht werden. Dazu sieht das
Forschungsdesign insgesamt 4 Experimental- und eine Kontrollgruppe vor: In einer
Experimentalgruppe wird die Maßnahme jedes Jahr, in den anderen 3 wird die
Maßnahme nur einmal durchgeführt, und zwar jeweils in einer unterschiedlichen
Klassenstufe. Insgesamt beträgt der Beobachtungszeitraum 4 Jahre.

Die Klassen (6.-9. Klassenstufe) werden aus den
Schultypen Gymnasium, Gesamtschule, Realschule und Hauptschule rekrutiert.
Insgesamt werden etwa 2.800 Schüler/innen aus Hamburg und Schleswig-Holstein an
dem Forschungsprojekt beteiligt sein.

Die Kooperationspartner in diesem Projekt sind
die Koordinationsstelle Schulische Suchtvorbeugung (KOSS, Kiel), die
Landesstelle gegen die Suchtgefahren e.V. Schleswig-Holstein (LSSH, Kiel) und
das SuchtPräventionsZentrum (SPZ, Hamburg).

Evaluation des Rauchverbots an Schulen

Projektteam des ISD: Prof. Dr. Peter Raschke, Dr. Jens Kalke, Sven Buth

Laufzeit: Juli 2005 bis März 2007

In dieser Studie – von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung gefördert – wurde überprüft, in welchem Verhältnis die tabakspezifischen Wirkungen von verhaltens- und verhältnispräventiven Maßnahmen stehen. Darüber liegen bisher nur wenige empirische Erkenntnisse vor. Dabei wurde als verhaltenspräventive die „Initiierte Abstinenz“ (zweiwöchige Verzichtsübung) gewählt, als verhältnispräventive Intervention das Rauchverbot an Schulen.
Die Studie besteht aus drei Untersuchungssträngen:

  1. „Initiierte Abstinenz“ und Rauchverbot (N=408),
  2. nur Rauchverbot (N=553),
  3. keine spezielle Raucherprävention und kein Rauchverbot (N=331).

Einbezogen waren Schüler der 8., 9. und 10. Klassenstufe von Gesamtschulen und Gymnasien. Die Effekte wurden anhand von Panelanalysen untersucht (Eingangs- und Abschlusserhebung in einem ¾-jährigen Untersuchungszeitraum).
Die größten Konsumeffekte zeigen sich bei der Kombination aus verhaltens- und verhältnispräventiver Intervention. Hier sinkt der Zigarettenkonsum der rauchenden Schüler. Das Rauchverbot allein hat schwächere positive Effekte. Ohne spezifische Raucherprävention steigt dagegen der monatliche Zigarettenkonsum der Schüler alterstypisch an. Die Ergebnisse beziehen sich auf einen mittelfristigen Zeitraum (etwa 9 Monate).
Die Kooperationspartner in diesem Projekt waren die Koordinationsstelle Schulische Suchtvorbeugung (KOSS, Kiel), die Landesstelle gegen die Suchtgefahren e.V. Schleswig-Holstein (LSSH, Kiel) und die Landeskoordinierungsstelle für Suchtvorbeugung Mecklenburg-Vorpommern (LAKOST).

Die Ergebnisse der Untersuchung können nachgelesen werden in:

  • Raschke P., Kalke J. & Buth S. (2008). Evaluation des Rauchverbots an Schulen. Eine vergleichende Untersuchung von verhältnis- und verhaltenspräventiven Maßnahmen, in: Prävention. Zeitschrift für Gesundheitsförderung, 31. Jahrgang, Heft 1/2008, S. 14-17.

Entwicklung, Erprobung und Evaluation von Maßnahmen der Spielsuchtprävention für das schulische Setting

Projektteam: Dr. Jens Kalke, Philipp Hiller, Simone Mollenhauer, Moritz Rosenkranz, Sven Buth

Laufzeit: 2008 bis 2012

In einem mehrjährigen, empiriegestützten Prozess wurden Maßnahmen der Glücksspielsucht-Prävention für das schulische Setting entwickelt (2008-2012). Damit sollte eine Lücke in der Praxis der bundesdeutschen Suchtprävention geschlossen werden.
Die Maßnahmen wurden in Form von Unterrichtsprogrammen für die Sekundarstufe I (8.-10. Klassen) und die Sekundarstufe II (Oberstufe, Berufliche Schulen) konzipiert. Das Herzstück stellt jeweils ein Parcours zum Thema Glücksspiel dar, der aus verschiedenen interaktiven Stationen besteht. Es gibt beispielsweise interaktive Übungen zu den Themen Glück, Gefährdungspotentiale einzelner Glücksspiele, Gewinnwahrscheinlichkeiten und Schutzfaktoren. In der Sekundarstufe I wird zusätzlich die Problematik des Computer-Onlinespieles mit Übungen zur Stärkung der Medienkompetenz behandelt.
Die Unterrichtsprogramme – so die Zielsetzungen – sollen Schülerinnen und Schüler in ihrer Glücksspiel-Abstinenz bestärken und erste Spielerfahrungen hinauszögern (vor allem Sek. I) sowie auf einen reflektierten, kontrollierten Umgang mit Glücksspielen hinwirken (letzteres vor allem in Bezug auf Sek II.).

Die Evaluation der beiden Maßnahmen erfolgte im Rahmen einer Follow-up-Untersuchung (Befragungen vor und 8 Monate nach der Intervention) mit jeweils zwei Experimental- und Kontrollgruppen. Es wurden die Akzeptanz sowie die Wirkungen (Wissen, Einstellung, Verhalten) der beiden Interventionen erhoben. Die Effektmessung erfolgte in Form einer mulitvariaten Analyse – der logistischen Regression. Als Hauptzielkriterien gelten – neben der Akzeptanz der Maßnahmen – das glücksspielbezogene Wissen und die glücksspielbezogenen Einstellungen. Anhand dieser Kriterien wird der Erfolg der Unterrichtsprogramme bewertet. Da bisher international kaum Erkenntnisse über die Verhaltenseffekte von schulbasierter Glücksspielsucht-Prävention vorliegen und diesbezüglich eher niedrige Prävalenzen bei der zum größten Teil minderjährigen Schülerschaft zu erwarten sind, stellen mögliche Veränderungen im Glücksspielverhalten ein sekundäres Kriterium der Evaluation dar. Die Grundlage der Analyse für die Sekundarstufe I und II bilden insgesamt 1.090 Schülerinnen und Schüler (Abschlussbefragung).
Im Folgenden werden die wichtigsten Evaluationsergebnisse und die daraus abgeleiteten Empfehlungen dargestellt.

Sekundarstufe I
Das Unterrichtsprogramm für die Sekundarstufe I besitzt eine mittlere bis hohe Akzeptanz bei den Schülerinnen und Schülern (Ø-Note: 2,7; bei klassischer Notenskala von 1 „sehr gut“ bis 6 „ungenügend“). Die Experimentalgruppe schneidet nach der Intervention beim glücksspielspezifischen Wissen und den Einstellungen gegenüber Glücksspielen (rationale Annahmen) signifikant besser ab als die Kontrollgruppe. So besitzen die Personen der Experimentalgruppe eine 1,9fach erhöhte Wahrscheinlichkeit, über ein sehr gutes präventionsbezogenes Wissen zu verfügen, als die Personen der Kontrollgruppe. Bei den erwünschten Einstellungen ist die Wahrscheinlichkeit bei der Experimentalgruppe um das 1,6fache erhöht. Beim Glücksspiel- und Computerspielverhalten zeigen sich hingegen zwischen beiden Untersuchungsgruppen keine Unterschiede. Ferner besteht auch noch nach der Intervention bei einem Teil der Schülerinnen und Schüler Unkenntnis über das Gefährdungspotential einzelner Glücksspielformen, insbesondere das der Rubbellose wird unterschätzt.

Sekundarstufe II
In der Sekundarstufe II, in der die Teilnahme an Glücksspielen um Geld wesentlich verbreiteter ist als bei der jüngeren Schülerschaft, kommt das Unterrichtsprogramm ebenfalls auf eine befriedigende bis gute Beurteilung (Ø-Note: 2,7). Auch hier schneidet die Experimentalgruppe beim Wissen und den Einstellungen besser als die Kontrollgruppe ab: Die Personen der Experimentalgruppe haben jeweils eine 2,0fach erhöhte Wahrscheinlichkeit, über ein sehr gutes Wissen zu verfügen bzw. die intendierten Einstellungen zu besitzen, als die Personen der Kontrollgruppe. In der Sekundarstufe II ergeben sich sogar signifikante Unterschiede zugunsten der Experimentalgruppe in Bezug auf die monatliche Teilnahme an Glücksspielen. Hier besitzt die Schülerschaft der Kontrollgruppe gegenüber derjenigen der Experimentalgruppe eine 1,8fach höhere Wahrscheinlichkeit, mindestens monatlich Glücksspiele um Geld zu spielen.
Analog zur Sekundarstufe I bestehen auch bei den älteren Schülerinnen und Schülern noch nach der Durchführung der Maßnahme Wissensdefizite über das Gefährdungspotenzial einzelner Glücksspielformen. So wird das Gefährdungspotential von Lotto zu hoch, das der Rubbellose zu niedrig bewertet.

Empfehlungen und Umsetzung
Die Evaluation ergibt bei einigen Aspekten der Unterrichtsprogramme einen Nachbesserungsbedarf. Das betrifft zum einen das Gefährdungspotential bestimmter Glücksspielformen. Die entsprechenden interaktiven Übungen sollten deshalb noch einmal überprüft und nachjustiert werden. Zum anderen müssten die – offensichtlich wirkungslosen – inhaltlichen Teile zu den Computer-Onlinespielen (Sekundarstufe I) einer grundlegenden Revision unterzogen oder ganz aus der Maßnahme herausgenommen werden. Überlegenswert wäre, stattdessen eine spezielle Station zum Thema „Glücksspiele im Internet“ zu konzipieren.
Gemessen an den Bewertungskriterien und unter Berücksichtigung der Korrekturvorschläge kann jedoch insgesamt aus wissenschaftlicher Sicht die Durchführung der Unterrichtsprogramme für die Sekundarstufe I und II empfohlen werden.
(Die Verantwortlichen des SPZ haben die genannten Empfehlungen aufgegriffen und die Unterrichtsprogramme für die Sekundarstufen I und II teilweise überarbeitet. So wurden die Themen Rubbellose und Computer-Onlinespiele inhaltlich und didaktisch neu bearbeitet.)

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Projektbericht: „Entwicklung, Erprobung und Evaluation von Maßnahmen der Glücksspielsucht-Prävention
für das schulische Setting“

Projekt: Evaluation der Implementierung des Unterrichtsprogramms PeP

Projektteam des ISD: Dipl. Soz. Moritz Rosenkranz, Dr. Jens Kalke

Laufzeit: 2008 bis 2011

In der vorliegenden Studie wurde die Implementierung von PeP, einem Unterrichtsprogramm zur Gesundheitsförderung sowie zur Sucht- und Gewaltprävention für Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf evaluiert. Die Implementierung von PeP in den Förderschulen sollte im Rahmen eines „Train the Trainer-Modells“ stattfinden. Dabei wurden von zwei Bundestrainerinnen vier zwei- bis dreitägige Schulungen durchgeführt, bei denen Fachkräfte der Suchtprävention fortgebildet wurden. Diese Fachkräfte sollten dann ihrerseits als Trainer (Multiplikatoren) fungieren und interessierte Schulen gewinnen, an denen sie wiederum die Kollegien in PeP schulen. Die Lehrkräfte sollten dann abschließend PeP in ihren Klassen durchführen. Ziel der Untersuchung war es zu überprüfen, wie die Akzeptanz des Fortbildungskonzeptes bei Multiplikatoren und Lehrkräften ist. Zudem sollten mögliche Gelingensbedingungen bzw. Durchführungsbarrieren identifiziert sowie konzeptionelle Überarbeitungsvorschläge entworfen werden. Insgesamt wurden vier Multiplikatoren- und elf Lehrkraftbefragungen durchgeführt und ausgewertet.

Auch wenn die Akzeptanz von PeP zufriedenstellend war, hat die Implementierung des Unterrichtsprogramms im Großen und Ganzen nicht funktioniert. Insgesamt liegt eine Kombination aus programminternen und externen Gründen (u. a. Schulbedingungen) vor. Ein veränderter Durchführungsmodus (externe Fachkräfte führen die Maßnahme direkt in den Klassen durch) könnte die Effizienz der Implementierung und die Akzeptanz von PeP verbessern.

PeP wurde finanziell von der Bertelsmann-Stiftung gefördert.

Evaluation des Pilotprojektes „Eltern stärken für den Umgang mit dem Alkoholkonsum ihrer Kinder“

Projektteam: Dr. Jens Kalke, Dr. Philipp Hiller, Sven Buth, Dr. Silke Kuhn

Laufzeit: 2011 bis 2012

In diesem Pilotprojekt wurde die Präventionsmaßnahme „Eltern stärken – für den Umgang mit dem Alkoholkonsum ihrer Kinder“ durchgeführt und evaluiert. Bei der Intervention handelt es sich um eine Informationsveranstaltung, die im Rahmen von Elternabenden an allgemeinbildenden Schulen stattfindet (8. – 10. Klassenstufe). Ferner beinhaltet die Intervention ein Faltblatt mit Regeln sowie ein Erinnerungsschreiben.

Mit der Maßnahme soll unter aktiver Einbeziehung der Eltern ein risikoarmer Alkoholkonsum der eigenen Kinder gefördert werden. Es geht hierbei vor allem um die Verhinderung von kurzfristigen Schäden eines exzessiven Gebrauches alkoholischer Getränke (z. B. Intoxikationen, Verkehrsunfälle, Gewalt). Die in der Maßnahme vermittelten Regeln für Eltern sind evidenzbasiert.

In der Evaluation wurden die Reichweite und Akzeptanz der Intervention sowie die Anwendung der vermittelten Regeln in der Praxis untersucht. Das Forschungsdesign beinhaltete eine Zweifach-Befragung der Eltern, eine retrospektive Schülerbefragung sowie eine Befragung der Lehrkräfte. Ingesamt wurden 94 Experimental- und 88 Kontrollklassen der Klassenstufen 8. bis 10. einbezogen. Die Klassen wurden proportional auf die Bundesländer Baden-Württemberg, Berlin, Sachsen und Schleswig-Holstein verteilt.

Das Pilotprojekt wurde in Kooperation mit der Landesstelle für Suchtfragen e. V. (LSSH, Kiel) durchgeführt. Finanziell gefördert wurde es vom Bundesministerium für Gesundheit.

Den Abschlussbericht finden Sie hier:

www.bundesgesundheitsministerium.de

Projekt: Erprobung und Evaluation eines schulischen Wettbewerbs für alle Klassen ab der 8. Jahrgangstufe „Klar auf Fahrt. Alkoholprävention und Klassenreisen“

Projektteam: Hermann Schlömer, Elke Rühling, Ricarda Henze (NLS, Niedersächsische Landesstelle für Suchtfragen)

Laufzeit: 2012 bis 2014

Der Wettbewerb wird vom ISD in Kooperation mit dem Nordverbund suchtpräventiver Fachstellen durchgeführt, von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) und dem Verband der privaten Krankenversicherung e.V. (PKV) gefördert.

Alle Schulklassen ab der Jahrgangstufe 8 werden dazu eingeladen und unterstützt, sich in Vorbereitung oder während einer Klassenreise mit den Risiken und Bedingungen des Alkoholkonsum auseinanderzusetzen und an der Planung und Gestaltung einer Klassenreise mit reizvollen Alternativen zum Alkoholkonsum mitzuwirken. Die Schüler erstellen einen Wettbewerbsbeitrag (z. B. Film, Comic…) der zur Vermittlung alkoholpräventiver Botschaften für andere Jugendliche dienen kann. Für die Vorbereitung, Gestaltung und Auswertung der Klassenreisen sowie die Erstellung von Wettbewerbsbeiträgen erhalten die Lehrkräfte ein Manual mit Vorschlägen und Anregungen.

Der Wettbewerb startet mit Beginn des Schuljahres 2012/2013 in Hamburg und Niedersachsen sowie in Bremen und Schleswig Holstein. Die Voraussetzungen für die Teilnahme an diesem Wettbewerb sind: a) eine freiwillige mehrheitliche Entscheidung der Schulklassen (90%) sowie der begleiten­den Lehrkräfte für die Wettbewerbsteilnahme und b) eine schriftliche Absichtserklärung aller Schülerinnen und Schüler sowie der Begleitpersonen, während der Klassenreise keinen Alkohol zu konsumieren.

Der Wettbewerb wird von der Berliner Delphi-Gesellschaft für Forschung, Beratung und Projektentwicklung mbH evaluiert. Durch die Evaluation sollen Erkenntnisse über die Akzeptanz und die Umsetzbarkeit des Wettbewerbs im schulischen Alltag gewonnen werden. Gleichzeitig wird erfasst, welchen Einfluss der Wettbewerb auf das Konsumverhalten vor allem während der Klassenreise, das Wissen über und die Einstellung zum Alkoholkonsum hat und was zum Gelingen einer alkoholfreien Klassenreise beiträgt.

Selbstheilung bei pathologischen Glücksspielern. Eine empirische Untersuchung zu den Möglichkeiten, mit Hilfe von Spielerschutzmaßnahmen Selbstheilungsprozesse zu initiieren und zu fördern.

Projektteam: Sven Buth, Sascha Milin, Elke Rühling, Dr. Jens Kalke

Laufzeit: 2012 – 2013

Vor dem Hintergrund des national und international defizitären Forschungsstandes zu Remissionsprozessen bei pathologischen Glücksspielern sind mit der Durchführung dieser Studie zwei primäre Ziele verbunden. Zum einen soll es ermöglicht werden, die Gruppe der Selbstheiler/innen auf Basis einer gesicherten empirischen Grundlage detailliert zu beschreiben (Analyseteil I). Darauf aufsetzend besteht das zweite Hauptziel in der Identifizierung von Indikatoren, die erklären, warum es einer großen Zahl von pathologischen Glücksspielern/innen (PGS) gelingt, aus der Spielsucht herauszuwachsen, andere jedoch auf professionelle Hilfe angewiesen sind bzw. in ihrer Sucht verharren. Es soll dabei insbesondere untersucht werden, wie sich diese Erkenntnisse für eine Verbesserung der Maßnahmen zum Spielerschutz nutzen lassen (Analyseteil II).

Durchführung, Methodik

Insgesamt 347 Personen sind im Rahmen von telefonischen, schriftlichen und internetgestützten Interviews zu ihrem aktuellen und früheren Spielverhalten, zu glücksspielbezogenen Problemen, zur Inanspruchnahme von Hilfen, zu den Barrieren einer solchen Inanspruchnahme, zu Spielmotiven, zu kognitiven Verzerrungen, zum aktuellen Gesundheitsstatus u.v.m. befragt worden. Sofern verfügbar, kamen jeweils international anerkannte Instrumente zum Einsatz. Die Rekrutierung der Stichprobe erfolgte vorrangig über Anzeigen bzw. Hinweise zur Studie, welche in Wochenblättern, einer Tageszeitung, in öffentlichen Verkehrsmitteln und in Internetportalen platziert wurden. Zudem sind gesperrte Kunden/innen einer Spielbank und ehemalige Teilnehmer/innen der PAGE-Studie um Teilnahme gebeten worden. Zwecks besserer Abgrenzung der Untersuchungsgruppen sind letztendlich 260 ehemalige bzw. aktuelle PGS in die nachfolgenden Analysen eingeschlossen worden: Selbstheiler/innen (N=62); Remittierte mit formeller Hilfe (N=54); PGS ohne formelle Hilfe (N=84) und PGS mit formeller Hilfe (N=60). Die Auswertungen erfolgen in Form von Gruppenvergleichen. Die Studie begann im September 2012 und endete 13 Monate später.

Analyseteil I: Vergleich der ehemaligen und aktuellen pathologischen Glücksspieler/innen mit und ohne formeller Hilfe

Selbstheiler/innen unterscheiden sich hinsichtlich demografischer und sozialstruktureller Merkmale kaum von den anderen drei Untersuchungsgruppen. Auch in Bezug auf die Anzahl der erfüllten DSM-IV-Kriterien und die Dauer der Spielprobleme zeigen sich nur kleinere Unterschiede. Hingegen empfinden im Vergleich zu den Selbstheilern/innen deutlich mehr Remittierte mit formeller Hilfe im Rückblick die eigene Spielsucht als schwerwiegend. In allen vier Gruppen werden mehrheitlich die Automaten in den Spielhallen und – schon zu deutlich geringeren Anteilen – in den Spielbanken als problemverursachende Glücksspielart genannt.
Sehr viele Studienteilnehmer/innen haben akute psychische Probleme. Je nach Untersuchungsgruppe sind zwischen ein Drittel und drei Viertel von ihnen aktuell von depressiven Symptomen betroffen. Hinsichtlich der Frage nach früheren ambulanten wie stationären Behandlungen aufgrund einer Depression finden sich die höchsten Anteile jeweils bei den Betroffenen, die auch von einer Inanspruchnahme glücksspielbezogener formeller Hilfe berichten.
Gefragt nach den Motiven der Teilnahme am Glücksspiel spielt neben dem möglichen Geldgewinn und der Schaffung bzw. Steigerung von subjektiv als angenehm empfundenen Gefühlszuständen insbesondere das Coping eine wichtige Rolle. So ist mit der Teilnahme am Glücksspiel oftmals die Hoffnung verbunden, von bestehenden Sorgen oder Problemen abzulenken oder negativen Stimmungen zu entfliehen. Insbesondere die Befragten, die schon einmal formelle glücksspielbezogene Hilfe in Anspruch genommen haben, weisen hinsichtlich dieser maladaptiven Bewältigungsstrategien deutlich erhöhte Werte auf.
Die Ergebnisse dieses Analyseteils liefern nur wenige Anhaltspunkte dafür, dass Selbstheilungsprozesse mit vertretbarem Aufwand gezielt befördert werden können. Hierfür wären Maßnahmen notwendig, mit denen es gelingt, psychisch belasteten Menschen frühzeitig, effizient und dauerhaft zu helfen, so dass ein Entfliehen vor den Problemen mit Hilfe des Glücksspiels nicht mehr notwendig ist.

Analyseteil II: Ansätze für Prävention und Hilfe

Die Analyse des Inanspruchnahmeverhaltens zeigt, dass die Remittierten mit formeller Hilfe in stärkerem Maße auf Angebote außerhalb des eigentlichen Suchthilfesystems zurückgreifen als dies bei den Selbstheiler/innen der Fall ist. Auch bei den Ergebnissen zu den persönlichen Strategien zur Beendigung des exzessiven Spielens bzw. zur Aufrechterhaltung des Spielstopps ergeben sich für die Selbstheiler/innen durchgängig geringere Prozentanteile; bei vielen Vermeidungsstrategien liegen signifikante Abweichungen zugunsten der Remittierten mit formeller Hilfe vor.

Insgesamt lassen sich keine Maßnahmen oder Strategien identifizieren, die für die Förderung von Selbstheilungsprozessen eine spezifische Relevanz hätten. Vielmehr ergeben sich insgesamt – wenn die Ergebnisse für die Remittierten mit und ohne formeller Hilfe zusammen betrachtet werden – einige wichtige Hinweise darauf, in welchen Bereichen das Präventions- und Hilfeangebot für problematische und pathologische Glücksspieler/innen ausgebaut werden sollte. Insbesondere sind hier zu nennen: die Entwicklung von Tipps über Erfolg versprechende Vermeidungsstrategien des Spielens; die Ausweitung des Sperrsystems auf weitere Glücksspielstätten (z. B. Spielhallen); die Verstärkung der Kooperation zwischen der Suchthilfe und der Schuldnerberatung sowie die Weiterentwicklung von Selbsthilfe-Materialen.

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Lebenssituation, Gesundheit, Konsummuster, Risikoverhalten und Hilfebedarfe von KonsumentInnen der niedrigschwelligen Drogenberatung in Bielefeld

Projektteam: Kirsten Lehmann, Priv.-Doz. Dr. Uwe Verthein

Laufzeit: Oktober 2013 bis März 2014

Seit Mitte der 1980er Jahre betreibt die Drogenberatung e. V. zwei niedrigschwellige Beratungs- und Kontaktcafés für Bielefelder Bürger, um dieser Zielgruppe einen Treffpunkt sowie Aufenthaltsbereich zur Verfügung zu stellen. Die Problemstellung dieser Thematik führte die Drogenberatung e. V. zu der Frage, inwiefern Klienten niedrigschwelliger Drogenhilfeeinrichtungen adäquate Unterstützung erhalten und in welchen Bereichen gegebenenfalls Versorgungslücken bestehen, die dem Bedarf der Klienten angepasst werden sollten.

Das Ziel der Studie war die systematische Ermittlung von Behandlungs- und Unterstützungsbedarfen unter BesucherInnen sowie die Analyse der Besucherstruktur der Drogenhilfeeinrichtungen. Die Erkenntnisse sollen praxisrelevanten Schlussfolgerungen für eine optimale Ausrichtung der Angebotsstruktur von niedrigschwelligen Institutionen dienen. Hierzu wurden im November 2013 KlientInnen in zwei Einrichtungen der Drogenberatung Bielefeld e. V. zu ihrer Lebenssituation, psychischen und somatischen Gesundheit, Hafterfahrung, ihren praktizierten Konsummustern, ihrem drogenspezifischen Risikoverhalten, der Inanspruchnahme der Hilfeangebote, ihren persönlichen Problemlagen sowie Hilfebedarfen befragt. Die Erhebung erfolgte mittels eines standardisierten Fragebogens an fünf aufeinanderfolgenden Tagen unter den BesucherInnen der Einrichtungen. Insgesamt wurden 218 Fragebögen in die Auswertung eingeschlossen.

Der vorliegende Bericht stellt die Ergebnisse der Befragungen dar und kann hier heruntergeladen werden.

Das Projekt wird von der Drogenberatung e. V. Bielefeld gefördert.